Pressespiegel

EIN BERICHT FÜR EINE AKADEMIE

Franz Kafka

Deister- und Weserzeitung, 29.3.1999

Verwandlung vom Affen zum Affen

Kafkas Stück „Ein Bericht für eine Akademie“

Von Lea Thies
Hameln.

Menschen sind saufende, rauchende, einfältige Untiere – darf man Rotpeters Erzählungen Glauben schenken. Rotpeter ist ein Affe und Protagonist aus Franz Kafkas „Ein Bericht für eine Akademie“, mit dem das Hamelner Publikum am Freitag Abend im fast ausverkauften Forum des Albert-Einstein-Gymnasiums die Bekanntschaft machte – oder nein, es waren doch die „höheren Herren der Akademie“ mit denen der Affe sprach.

Äffisches Vorleben im afrikanischen Busch

In seiner Rede berichtet Rotpeter von seinem äffischen Vorleben im afrikanischen Busch, seiner Gefangennahme, seiner Deportation in die Menschenwelt und seiner dortigen Verwandlung von einem Affen zu einem Affen mit dem Intellekt und den Fähigkeiten eines durchschnittlichen Europäers.
Letzteres geschieht ursprünglich aus der Not heraus: Während der Schiffsreise in die neue Welt wird Rotpeter sich seiner aussichtslosen Lage, seiner Gefangenschaft und Unfreiheit bewusst. So imitiert er die Seeleute, nimmt ihre primitiven – für Rotpeter menschentypischen – Attribute an. Durch diese Veränderung seines äffischen Lebens landet er nicht, wie ursprünglich geplant, im Zoo, sondern macht Karriere im Varieté. Seine Stellung auf den Bühnen der Menschenwelt manifestiert er so sehr, dass bald der Kontrast Affe/Mensch immer mehr verschwimmt und in Rotpeter mehr Mensch als Affe erkennbar wird. Seine Opferrolle entpuppt sich zunehmend als die eines Täters und Mitläufers. Zum Ende des Stücks eskaliert sein Verhalten sogar so sehr, dass er Artgenossen an Ketten über die Bühne zerrt.
Ein groteskes und gleichsam herrliches Theaterstück, das durch die brillante Inszenierung Martin Goltschs und professionelle Amateurschauspieler des Aachener „THEATERausBruch“-Ensembles hervorragte und den Menschen im Publikum auf erfrischende Weise einen Spiegel ihrer Spezies vorhielt.

Guter Regie-Kniff: Die dreigeteilte Hauptrolle

Erfrischend auch daher, weil Goltsch den ursprünglichen Kafka-Monolog zu einem Mehrpersonenstück umschrieb und mit drei Rotpeter-Charakteren bestückte. Reiner Herrmann, Martin Rahner und Ansgar Stelzer spielten so gekonnt eine dreigeteilte Hauptrolle und brachten die inneren Konflikte des Protagonisten, die Heucheleien vor sich selbst und die Persiflage der Menschheit dem Publikum eindringlich näher.
Auch in punkto Bühnenbild vermochte diese Inszenierung zu überzeugen. So puristisch und einfach dessen Aufbau und die Kostüme waren, so raffiniert und eindringlich war die Wirkung auf das Publikum. Licht und Schatten spielten hierbei eine wichtige Rolle: Rotpeters Schattenwurf auf den weißen Wänden erinnerte stets an seine wahre eigentliche Identität: die eines Affen – eines Affen, der säuft, spuckt und zum Untier „Mensch“, vom Opfer zum Täter geworden ist.



Aachener Zeitung, 18.5.1998

Gefangen in alptraumhaften Bildern
Kafkas Klassiker „Bericht für eine Akademie“ im Theater 99 aufgeführt

Von Claudia Kern
Aachen. Eine Stimme aus dem Off ist zu hören. Eine Geschichte wird erzählt. Über einen Affen, der sprechen lernen soll. Dann tritt ein Mädchen auf, setzt sich an den Spiegel und fängt an zu klimpern. Nach einigen Minuten betritt der menschgewordene Affe die Bühne. Kann er sprechen? Und was wird er erzählen?
So beginnt die Gruppe „THEATERausBruch“ ihre Version des Kafka-Klassikers „Ein Bericht für eine Akademie“, die jetzt im Theater 99 auf dem Programm steht.
Natürlich kann der Affe sprechen und seine zwei Gefährten auch. Aber es ist nicht das, was sich die „hohen Herren von der Akademie“ versprochen haben. Ganz im Gegenteil, die drei Affen können sich nicht mehr an ihr Leben vor dem Menschwerden erinnern.
Zuerst pressen die Affen alias Reiner Herrmann, Martin Rahner und Ansgar Stelzer die Wörter mühsam und atemlos hervor, aber nur kurz, denn sie lernen schnell. Sie erzählen der Akademie von der Gefangennahme im Dschungel und von dem einzigen Ausweg, nicht der Flucht, sondern dem „Menschenausweg“.
Und schon sind die Zuschauer gefangen in alptraumhaften Bildern und einem gewaltsamen Erkenntnis- und Lernprozeß. Der Überlebenskampf hat längst begonnen, das Selbstbewusstsein ist zerstört, und die Grenze zwischen Tätern und Opfern verschwimmt immer mehr.
„Ich will nur Kenntnisse verbreiten, kein Urteil von Menschen“, schließt Rotpeter schließlich seine Geschichte. Das Mädchen sitzt wieder am Klavier, spielt, die Bühne wird dunkel, und die Darsteller werden mit tosendem Applaus belohnt.


Münstersche Zeitung, 30.3.1998

Kafka-Stück hervorragend in Szene gesetzt
Die Verwandlung eines Affen zum Menschen

Havixbeck (ca). Mit dem Kafka-Stück „Ein Bericht für eine Akademie“ gastierte am Freitag Abend die Gruppe „THEATERausBruch“ in Havixbeck.
Die Amateurschauspieler waren einer Einladung des „Törchens“ gefolgt.
Acht Ensemble-Mitglieder zählt die Gruppe „THEATERausBruch“. Vorwiegend sind es Pädagogen und Studenten. Unter der Regie von Martin Goltsch erlebten rund 35 Zuschauer die Premiere des Stückes im Forum der Anne-Frank-Gesamtschule.
„Ein Bericht für eine Akademie“ von Franz Kafka ist 1917 entstanden und wurde 1919 im Sammelband „Ein Landarzt“ veröffentlicht. Zum Inhalt: Ein Affe berichtet den „hohen Herren“ einer Akademie von seiner schrittweisen Menschwerdung.
In Afrika wurde er mitten aus seiner Herde herausgeschossen, auf ein Schiff geschleppt und nach Europa gebracht, um dort verkauft und dressiert zu werden. Im engen Schiffskäfig auf Unterdeck wurde ihm klar, dass eine Flucht unmöglich war und dass ihn nur eines retten konnte: Er musste sich anpassen und einen Ausweg finden.

Die Anpassung

So begann der Affe damit, sich der insgesamt freundlichen Besatzung des Frachters anzupassen. Er rauchte Pfeife und überwand sich zum Schnapstrinken – und mit einem Mal entfuhr ihm ein menschlicher Laut. Zur Belustigung des Publikums sprach der Affe den – sicherlich nicht von Franz Kafka geschriebenen Satz – „Hallo Havixbeck!“.
Also, so das Fazit, brauchte der Affe nur so zu tun, als sei er ein Mensch und schon würde ihm die Menschennatur zuteil werden. An der äußeren Erscheinung hatte sich nichts verändert. Er war ein Tier geblieben. Er hatte jedoch seine Affennatur ablegen und sich die durchschnittlichen Kenntnisse eines Mitteleuropäers aneignen können, um nicht hinter den Käfiggittern eines Zoos zu landen.
Am Ende der Vorstellung dankte das Publikum den Darstellern Reiner Herrmann, Martin Rahner, Ansgar Stelzer, Winfried Keutgen und dem Mädchen am Klavier Sonja Krause, mit langem Applaus und Bravorufen für die hervorragend in Szene gesetzte Geschichte des Schriftstellers Franz Kafka.
 
 

Westfälische Nachrichten, 30.3.1998

Affe Rotpeter zieht Bilanz seiner Menschwerdung
Kafkas „Ein Bericht für eine Akademie“ im Forum gezeigt

-ch- Havixbeck. Einen Bericht über sein „äffisches Vorleben“ legt der Mensch gewordene Affe Rotpeter in Franz Kafkas „Ein Bericht für eine Akademie“ vor. Regisseur Martin Goltsch, Regisseur er Theatergruppe „THEATERausBruch“ bearbeitete die Kafka-Erzählung von 1917 für die Bühne. Die Premiere erlebte das Stück am Freitag Abend im Forum vor einem relativ kleinen Publikum. Die neun Mitglieder der Gruppe „THEATERausBruch“ gastierten auf Einladung des Törchen-Theaters in Havixbeck.
Der Akademie stellt sich in dem Stück ein eigenartiges Wesen aus dem Zwischenreich vor: Der Affe Rotpeter zieht eine Bilanz des Prozesses seiner Menschwerdung, die ihm erlaubte, aus der Gefangenschaft im Käfig zu entkommen. Die Rede, die Rotpeter an die Mitglieder einer Akademie richtet, eine Rolle, in die unversehens das Publikum gerät, ist überaus radikal in der Darstellung und Bewertung humaner Qualitäten und nicht ohne Komik.
Der Affe erlernte auf dem Weg seiner Menschwerdung Fertigkeiten wie Händeschütteln und Spucken, angeleitet wurde er von einem aus dem Off kommentierenden Autor.
„Zentrale Themen der Erzählung sowie der Bühnenbearbeitung sind die Selbstentfremdung des Individuums, die Resultate missverstandener Erziehung und die Ignoranz unseres eigenen Bewusstseins“, skizzierte Goltsch.
Die Darsteller sind größtenteils Pädagogen und Studenten, die sich unter der Leitung von Martin Goltsch regelmäßig treffen und Theater spielen. Reiner Herrmann, Martin Rahner und Ansgar Stelzer verkörperten in der Bühneninterpretation von Kafkas „Bericht für eine Akademie“ die Rolle des Rotpeter. In weiteren Rollen waren Winfried Keutgen und Sonja Krause zu sehen.
Die Gruppe plant eine Tournee mit dem in Havixbeck erstmalig aufgeführten Stück, als Orte für weitere Gastspiele sind unter anderem München und Prag im Gespräch.




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