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Die Flugbahn

des Asphaltschmetterlings

GILBERT

Eine bespielte Ausstellung von und mit GILBERT
Klavierbegleitung:
Anton Berman


THEATERausBruch zeigt in Zusammenarbeit mit GILBERT eine Ausstellung dieser persönlichen Exponate und Dokumente unter dem Titel „Die Flugbahn des Asphaltschmetterlings“.
In dieser „bespielten Ausstellung“ erzählt GILBERT nicht nur etwas über die Geschichte und sozialen Probleme der Straßenkünstler von der Antike bis zur Gegenwart, sondern lüftet auch Tricks und Finessen, garniert dies mit Anekdoten, phantastischen Geschichten und kleinen Spieleinlagen, die ein wenig hinter die phantasievollen „Geheimnisse der Straßenkünstler“ blicken lassen. So hat er auch das interessanteste Ausstellungsstück seiner Sammlung mitgebracht – sich selbst:

GILBERT ist ein Phänomen. Wenige Minuten seines Programms reichten dem ehemals vagabundierenden Straßenkünstler aus Paris, um zu internationalem Ruhm und Erfolg zu gelangen. Auch in Deutschland wurde GILBERT in Presse, Funk und Fernsehen bekannt als „Automaten-Mann“ oder „Mr. Roboter“. Ungeachtet der Tatsache, dass der vielseitige Künstler auch als Pantomime, Zauberer, Artist und Alleinunterhalter erfolgreich ist, wurden die Minuten als „GILBERT, l´automate“ zum Schlüssel einer weltweiten Karriere, deren Stationen und Visitenkarten sich wie das „Who is who“ des internationalen Show-Geschäftes lesen. Er bespielte die Spielkasinos von Monte-Carlo bis Baden-Baden, gehörte zu den Stammgästen des bedeutenden Festival d´Avignon und trat in der New Yorker Carnegie Hall auf. Er drehte Filme mit Antony Perkins und Serge Gainsbourg, trat mit Charles Aznavour und Armanda Lear auf und arbeitete mit dem berühmten Pantomimen Marcel Marceau.

In Deutschland trat er neben vielen anderen Fernsehauftritten zusammen mit Robin Gibb von den Bee Gees bei „Wetten-dass..!?“ auf, auch erinnert er sich schmunzelnd an einen anderen Auftritt im „Aktuellen Sportstudio“, bei dem er als Fußballbanause erst den deutschen „Kaiser“ nicht kannte und anschließend gegen Franz Beckenbauer einen Treffer an der Torwand erzielte. Dies war aber sicherlich nicht der Grund, warum ihn das französische Fernsehen bei der letzten Fußballweltmeisterschaft als Halbzeitunterhalter aufspielen ließ...!?


Die Liste seiner Auftritte, Bekanntschaften und dazugehörigen Anekdoten kann Bände füllen – und doch würden sie nicht hinreichend das Herz des sympathischen Künstlers beschreiben, der sich noch heute der Straße verbunden fühlt und als Präsident der französischen Straßenkünstlervereinigung „saltimbanque“ für die Rechte und Interessen der Straßenkünstler eintritt. GILBERT nimmt den Begriff der „Straßen-Kunst“ sehr ernst und erhebt qualitative Ansprüche an die Künstler und Artisten, deren einziges Bühnenlicht die Sonne oder Straßenlaterne ist. Vehement grenzt er sich ab von den „Trittbrettfahrern“ seines Genres, die mit untalentierten und schlechten Programmen als musisch verkleidete Bettler im Deckmantel der Kunst den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen wollen.

GILBERT ist anspruchsvoll und stolz auf seine ursprüngliche Kunst. Er liebt das Spiel auf der Straße mit dem direkten Kontakt zum Publikum, das ihn stets begeistert feierte. Dabei sind es aber nicht nur die romantischen Erinnerungen an die „Macht der Phantasie“ und die „Freiheit der Straße“, die ihn bewegen. Er kennt auch die Schattenseiten, die ihn und seine Künstlerkollegen bis heute begleitet haben. Da lässt sich von Hunger, Armut, Krankheit und ein Leben ohne Absicherung berichten, von bürokratischer Kleinkariertheit, von Vorurteilen aufgebrachter, selbsternannter Ordnungswächter und anderer Polizisten, von Gefängnis, Prügel und Skandalen. Verschmitzt und durchaus amüsiert berichtet Gilbert davon, wie übermotivierte Ordnungshüter auf der Polizeiwache feststellen mussten, welch prominenten Künstler sie gerade verhaftet hatten oder wie er bei Festnahmen auf der Straße seine Holzkiste öffnete und Stapel von Zeitungsberichten seiner renommierten Auftritte unter das jubelnde Publikum warf, für das öffentliche Ordnung und Phantasie ohnehin keinen zu sanktionierenden Widerspruch darstellte.


Und ist es nicht auch gesellschaftliche Ironie, dass die heute noch mit Ordnungsgeldern oder Polizeiknüppeln beseitigte „Störung“ des Unbekannten morgen schon wieder auf Imageveranstaltungen von Daimler-Benz oder Käfer München, im Spielcasino Monte Carlo oder in einer internationalen Fernsehgala zu sehen ist? Verrät dies nicht auch etwas über die Normen einer imageorientierten Gesellschaft, deren wohltemperierte Geschäftsinteressen selbst gerne in der Maske des Bürger-Sinns auftreten?

GILBERT ist sich treu geblieben als Straßenkünstler. Doch man ahnt den Stachel im Fleische, den der Künstler in wohllackierten Fußgängerzonen zwischen geschäftsgünstigen Anbieterparkplätzen seinem begeisterten Publikum sichtbar macht. Der öffentliche Markplatz als Ort der Auseinandersetzung seiner Bewohner, an dem auch amüsantes Spiel, menschliche und gesellschaftskritische Spiegel, Phantasie und Unterhaltung ihren natürlichen Platz haben, scheint häufig in seiner Funktion weniger von den Bürgern bestimmt zu sein, als vielmehr von den vermeintlichen Gralshütern der sogenannten öffentlichen Ordnung.


Manchem Aachener mag noch in Erinnerung sein, wie GILBERT in den 80er Jahren das städtische Verbot verletzte, auf der Straße zu spielen, sich angesichts der nahenden Polizeitruppen unter amüsiertem Medieninteresse („Kampf zwischen Ordnung und Phantasie“) öffentlich in einen Käfig sperrte und seine Show veranstaltete. Schließlich – nach „Prüfung seiner Kunst“ – empfing ihn sogar der damalige Oberbürgermeister Malangré und GILBERT war der erste Straßenkünstler, der für seine Kunst in Aachen eine offizielle „Genehmigung“ erhielt und das bis dahin geltende Verbot der Stadt aufhob.


GILBERT sammelt seit 20 Jahren alles, was mit Gauklern und ihrer Kunst zu tun hat. Persönliche Erinnerungsstücke, Kuriositäten, alte Zeitungsausschnitte und Fotos gehören dazu, aber auch Geschichten und Dokumente ihrer sozialen Not und Ächtung. Unbekannte und bekannte Kraftmeier und Entfesselungskünstler, halsbrecherische Seiltänzer, Schwert- Eisen- und Fröscheschlucker kommen darin vor, aber auch weltberühmte Künstler wie Edith Piaf oder die Gypsie Kings, die ihre Karriere auf der Straße begannen.

Teile der Ausstellung wurden im letzten Jahr erstmalig in Monschau gezeigt und wurden dann auf dem Festival „Just for fun“ in Montreal präsentiert. Ab Herbst diesen Jahres soll die Ausstellung in verschiedenen Städten Belgiens zu sehen sein.


Aachener Zeitung, 14.09.2002

Gilberts charmante Scharaden

Aachen. Erst vor wenigen Monaten hat „THEATERausBruch“ mit seiner Bühnenparabel rund um die Biographie eines Hamburger Kunstschänders auf sich aufmerksam gemacht: Das Stück ,,Kunst.Fehler“, nach aufwändiger Recherche von dem Aachener Autor Wolfgang Vincke auf die Bühne des Theater 99 gebracht, wird im Rahmen des Theatertags um 20 Uhr nochmals in dem kleinen Haus am Gasborn 9-11 gezeigt.
Schon ab 16 Uhr freier Eintritt bei THEATERausBruch
Bereits um 16 Uhr lädt das umtriebige Ensemble bei freiem Eintritt zur Vorstellung seiner jüngsten Produktion ,,Die Flugbahn des Asphaltschmetterlings“. Als ,,bespielte Ausstellung“ zur Geschichte des Pariser Straßenkünstlers Gilbert will das Ensemble eine Hommage an die vagabundierenden Entertainer schlechthin auf die Bühne zaubern.
Auch in Deutschland ist Gilbert als ,,Automaten-Mann“ oder ,,Mr. Roboter“ und damit als Protagonist einer neuen Persiflage auf Technik und Machbarkeitswahn weithin bekannt geworden. THEATERausBruch widmet sich damit wieder einer - diesmal durchweg positiven ,,Randfigur der Gesellschaft“, erzählt in ausdrucksstarken Bildern viel auch über die Geschichte und die sozialen Probleme der Akrobaten und Gaukler von der Antike bis zur Gegenwart.


Aachener Zeitung, 18.09.2002

Panorama freier Bühnen
Zahlreiche ,,Akut“-Gruppen präsentieren sich


Theater K, Das Da Theater, Barockfabrik, Grenzlandtheater, Ludwig-Forum: Alles, was im Dreiländereck Bühnenränge und Namen hat, ist beim Theatertag aktiv. Gleich mehrfach mischt die Aachener Kultur- und Theaterinitiative - kurz Akut e.V. - mit. Unter ihrem Dach haben sich über 20 Gruppen zusammengefunden. Ob Limburger Straßentheaterfestival, Schultheatertage, Freilichttheater auf Burgen der Region oder die Einrichtung einer Weiterbildungsakademie für freies Theater und Kleinkunst - die Betätigungsfelder sind vielfältig.
Die Fleddermäuse, Scheibub und Grautvornix gehören zu den Gründungsmitgliedern, das ,,Duo Naseweiss“ machte hier seine ersten Schritte, und auch das Wall Street Theatre reiht sich neben ,,Newcomern“ wie dem Akrobatik-Duo Askaris in die Liste ein. Einige von ihnen werden am Samstag auf der Open-Air-Bühne vor dem Theater zu sehen sein.
Das Theater 99, Aachens ältestes und mit mindestens 20 verschiedenen Produktionen pro Jahr vielschichtiges freies Theater wird in diesem Jahr vom ,,THEATERausBruch“ repräsentiert. Das Ensemble unter der Leitung von Martin Goltsch zeigt die mit viel Kritikerlob bedachte Uraufführung von Wolfgang Vinckes ,,Kunst-Fehler“ noch einmal.
Besonders stolz ist das Theater 99 auf eine weitere Initiative des ,,THEATERausBruch“: Mit dem französischen Künstler Gilbert, den viele sicher noch als den ,,Automatenmenschen“ kennen, ist unter dem Titel ,,Die Flugbahn des Asphalt-Schmetterlings“ eine lebendige Ausstellung über das Leben der Straßenkünstler entstanden, die am Theatertag zwischen 16 und 18 Uhr zu sehen ist.
Das Blackout-Theater, gleichfalls ,,Akut“-Mitglied, macht derweil mit der Krimi-Komödie ,,Das Oslo-Syndrom“ im ,,Space“ des Ludwig-Forums Programm und verspricht den Anhängern der etwas leichteren Muse gute Unterhaltung.